Berlin: Prozess um nackte Brüste auf Wasserspielplatz
War es eine Diskriminierung für eine Frau, dass sie wegen ihrer nackten Brüste einen Berliner Wasserspielplatz verlassen musste? War das Land Berlin verantwortlich und sind 10.000 Euro Entschädigungsforderung angemessen? Komplizierte Fragen der Rechtsfindung für den Berufungsprozess am Kammergericht der Hauptstadt, wie auch Richterin Cornelia Holldorf bemerkte.
Nach drei Stunden Verhandlung stand am Freitag jedoch fest: eine Entscheidung über die Klage der Frau auf Entschädigung wird erst in einiger Zeit fallen. Beratungen sind noch erforderlich.
Die Klägerin Gabrielle Lebreton, die sich im Juni 2021 oben ohne sonnte und deswegen den Spielplatz verlassen musste, lehnte ein Vergleichsgespräch mit den Vertretern des Landes Berlin ab. Das Land hingegen will nun auf Anregung der Richterin klären, ob es die Forderung der Frau teilweise anerkennt. Sollte das Land das ablehnen, wird das Gericht entscheiden.
Der Fall
Lebreton hatte mit ihrem Kind den Wasserspielplatz («Plansche») im Bezirk Treptow-Köpenick, besucht und oben ohne auf einer Decke gesessen. Nachdem ein Mann sich beschwert hatte, forderten Wachleute, die wegen der Corona-Pandemie im Auftrag des Bezirks unterwegs waren, sie auf, ihre Brüste zu bedecken oder den Platz zu verlassen. Als sie sich weigerte, wurden Polizisten gerufen, die die Wachleute unterstützten. Schließlich ging die Frau.
Anschließend beschwerte sie sich bei der Berliner Antidiskriminierungsstelle. Die zuständige Ombudsstelle ging von einer Diskriminierung aus. Auf deren Empfehlung änderte der Bezirk ihre Nutzungsordnung für den Spielplatz. Danach gilt für alle Geschlechter, dass die Badebekleidung die primären Geschlechtsorgane vollständig bedecken muss - die Brüste also nicht.
Die erste Instanz
In der ersten Instanz hatte das Landgerichts im September 2022 die Klage der Frau auf Entschädigung nach dem Antidiskriminierungsgesetz (LADG) abgewiesen. Sie sei nicht unrechtmäßig wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden, argumentierte das Gericht damals. Das Verhalten von Sicherheitsleuten und Polizei sei rechtmäßig gewesen.
Die neue Verhandlung
Zu Beginn der neuen Verhandlung stellte die Richterin fest: «Rein äußerlich betrachtet ist sie als Frau anders behandelt worden als als Mann. Das war schon eine ungleiche Behandlung.» Man könne schon auch von einer «Schlechterbehandlung» sprechen. Die rechtliche Frage sei aber, ob diese Behandlung gerechtfertigt gewesen sei oder eine Einschränkung.
Zugleich machte sie klar, dass die geforderte Summe von 10.000 Euro viel zu hoch sei. Das sei weit mehr als das Gesetz vorsehe. Angemessenen sei eher eine Summe im dreistelligen Bereich, also mehrere Hundert Euro. Es gebe deutlich schlimmere Formen von Diskriminierungen. «Wir müssen es ins Verhältnis setzen.»
Die Anwälte
Die Anwältin der Klägerin, die sich selbst nur kurz äußerte, betonte, es habe sich um eine Diskriminierung gehandelt, weil sie nach Geschlecht erfolgt sei. «Es ging um das Frausein.» Die klagende Frau wurde von einer «Gesellschaft für Freiheitsrechte» unterstützt, etwa 20 junge Frauen hatten sich als Zuschauerinnen im Gerichtssaal versammelt.
Der Anwalt des Landes Berlin argumentierte: «Wir erkennen an, dass es für die Klägerin eine unangenehme Situation war, die das Land aber nie gewollt hat.» Der Wachdienst am Spielplatz sei nur für die Einhaltung der Corona-Bestimmungen zuständig gewesen und nicht für das Verweisen der Frau vom Gelände. «Das Land haftet dafür nicht.»
Mehrfach musste die Richterin während der Verhandlung spontane Diskussionen der Anwälte unterbrechen und um Zurückhaltung bitten. Bei der Suche nach einem möglichen Kompromiss wies sie die Frau darauf hin, dass sie bereits mehrere Erfolge erzielt habe. «Sie haben schon sehr, sehr viel erreicht.» Die Nutzungsordnung für den Spielplatz sei geändert worden. Das ganze Thema sei öffentlich ausführlich diskutiert worden.
Die Aussichten
Dringend betonte Richterin Holldorf, der Streit könne auch friedlich beigelegt werden. «Es ist ein abgeschlossener Einzelfall aus der Vergangenheit. Die ganze grundsätzliche Bedeutung der Gleichberechtigung von Mann und Frau ist komplett raus.» Aber die betroffene Frau lehnte entsprechende Gespräche ab. «Ich habe nach diesen zwei Jahren kein Vertrauen mehr in das Land.»
Letztlich nahm die Richterin dann das Land Berlin, in diesem Fall Senat, Bezirk und Polizei, in die Pflicht und bat um eine «Teilanerkennung» der Klage der Frau. Es stelle sich die Frage, wie das Land in diesem Konflikt mit einem Bürger umgehen solle. Dabei komme es auch auf die Höhe der möglichen Geldzahlung an, sagte sie. «Bedenken Sie die Weisheit dieses Vorschlags», appellierte sie mehrfach an den Anwalt und die Vertreter des Landes. Die wiederum baten um Zeit. Nötig seien mindestens sechs Wochen - und das ist noch knapp angesichts der vielen Berliner Behörden.
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