Arbeitsrecht und Corona
Arbeitsrecht und Corona
Darf mich mein Arbeitgeber spontan in den Urlaub schicken? Welche Rechte habe ich als Minijobber? Und muss ich zur Arbeit, wen meine Chefin in einem Risikogebiet war? Das Corona-Virus verändert unser Arbeitsleben und Ihr habt uns zahlreiche Fragen dazu geschickt. Michael Wirlitsch hat die Antworten - er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Lehrbeauftragter an der Uni Konstanz. Was er dazu sagt gibt’s hier im Video und als Textzusammenfassung.
Als selbstständige Tagesmütter dürfen wir ab Dienstag nicht mehr arbeiten – bekommen wir trotzdem unseren Lohn bezahlt?
Wer als Tagesmutter selbstständig arbeitet, wird wohl auf den Lohn verzichten müssen - das ist das Risiko eines Selbstständigen. Wenn Ihr als Tagesmutter angestellt seid, besteht für den Arbeitgeber grundsätzlich die Lohnzahlungspflicht.
Das gleiche gilt für Handwerker - wenn Ihr angestellt seid, muss Euer Arbeitgeber grundsätzlich erst mal das Gehalt weiterhin zahlen. Wer selber einen Handwerksbetrieb leitet muss allerdings schauen, wie er über die Runden kommt. Eine Möglichkeit ist es, Kurzarbeit anzumelden, aber das Risiko trägt der Selbstständige letztlich selbst.
Muss ich zur Arbeit, wenn mein Chef zuvor im Risikogebiet war?
Wenn beim Chef Symptome wie Fieber, Heiserkeit, Husten oder Atemnot vorhanden sind, hat der Arbeitnehmer unter Umständen ein Leistungsverweigerungsrecht, muss also nicht zwangsläufig zur Arbeit. Ist das nicht der Fall, muss der Arbeitnehmer aber zur Arbeit kommen. Der Arbeitgeber andererseits muss die üblichen Hygienemaßnahmen treffen. Am besten ist es aber, den Chef direkt darauf anzusprechen und beispielsweie über Home-Office nachzudenken.
Im Betrieb wurde alle für 3 Wochen in den Urlaub geschickt. Falls die Krise andauert, soll der Urlaub vom nächsten Jahr mit angegriffen werden. Ist das rechtens?
Den Urlaub legt der Arbeitgeber fest, aber er muss auf die Interessen der Arbeitnehmer Rücksicht nehmen. So ganz kurzfristig geht das nicht. Der Arbeitgeber kann unter Fortzahlung des Gehalts freistellen, aber er kann nicht von heute auf Morgen den Urlaub anordnen. Der Sinn und Zweck des Urlaubs ist die Erholung – der Arbeitgeber kann also nicht den Urlaub von nächstem Jahr heranziehen. In so einem Fall habt Ihr also durchaus die Möglichkeit, Euch zu wehren. Wenn es zu einem Rechtsstreit kommt, stellt sich allerdings die Frage, wie das Arbeitsverhältnis vor allem in einem kleinen Betrieb langfristig weitergeht. Besser ist es, eine einvernehmliche Lösung mit der Personalabteilung zu finden.
Was ist mit meinem Gehalt, wenn ich als 450-Euro-Jobber zwischenzeitig meine Arbeit verliere?
Ein 450-Euro-Job ist ein ganz normales Arbeitsverhältnis. Das bedeutet: alle Rechte und Pflichten wie bei anderen Arbeitsverhältnissen gelten auch hier und auch das Gehalt muss weiterhin gezahlt werden. Der Arbeitnehmer verliert nicht einfach seinen Job, weil der Arbeitgeber ihm keine Arbeit mehr anbieten kann. Der müsste zuerst kündigen und dabei muss er die ganz normalen Kündigungsfristen einhalten. Die Vorstellung, das ist ein Arbeitsverhältnis minderen Ranges, die stimmt nicht.
Wer zahlt meine Stornokosten, wenn mich mein Arbeitgeber bittet, vom Reisen ins Ausland abzusehen?
Der Arbeitgeber kann Dienstreisen untersagen, aber nicht den privaten Urlaub. Der Arbeitgeber kann Euch also nicht davon abhalten ins Ausland zu reisen, auch wenn das vielleicht ganz sinnvoll ist. Die Stornierung ist dann aber kein Problem des Arbeitgebers – geht am besten direkt auf den Reiseveranstalter zu, viele ermöglichen Euch auch die kostenlose Stornierung.
Unser Sohn ist chronisch krank, mein Mann hat in seinem Beruf ständig Kontakt zu anderen Menschen. Kann er sich da freistellen lassen?
Einvernehmlich ist das möglich, einen rechtlichen Anspruch gibt es aber nicht. Je offener und ehrlicher mit Eurem Arbeitgeber kommuniziert, desto besser.
Wenn wir im Betrieb unsere Arbeitszeit reduzieren müssen und auf Kurzarbeit umstellen, müssen wir erst Überstunden abbauen um das Kurzarbeitergeld zu beziehen?
Der Bundestag hat für Kurzarbeit extra ein neues Gesetz verabschiedet. Damit kann der Arbeitgeber recht schnell einen entsprechenden Antrag stellen. Überstunden müssen dann unter Umständen nicht erst aufgebraucht werden. Darum muss sich aber nicht der Arbeitnehmer kümmern.
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Werde ich weiter bezahlt, wenn ich unter Quarantäne gestellt wurde?
Beschäftigte haben keinen Anspruch auf Gehaltszahlung vom Arbeitgeber während einer Quarantäne. Nur im Fall einer Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitgeber verpflichtet, Lohnfortzahlung zu leisten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten aber eine Entschädigung gemäß § 56 Infektionsschutzgesetz –in den ersten 6 Wochen in Höhe des Gehalts, danach in Höhe des Krankengelds, das im Fall einer Erkrankung gezahlt werden würde. Der Arbeitgeber hat in den ersten 6 Wochen die Entschädigung an die Beschäftigten auszuzahlen – er kann sie sich dann von der zuständigen Behörde zurückerstatten lassen. Nach Ablauf von 6 Wochen müssen Beschäftigte die Entschädigung selbst bei der zuständigen Behörde (z.B. dem Gesundheitsamt) beantragen.
Ich bin auf Reisen unter Coronavirus-Quarantäne gestellt und kann nicht nach Hause zurückkehren. Was passiert mit meinem Arbeitsverhältnis?
Wer auf Reisen ist und zum Beispiel im Hotel über seinen geplanten Abwesenheitszeitraum hinaus unter Quarantäne gestellt wird, kann nach dem Urlaub nicht wie geplant zur Arbeit kommen. Auch in diesem Fall besteht Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Wichtig ist hier, den Arbeitgeber entsprechend zu informieren.
Darf ich zu Hause bleiben, wenn die Kita oder Schule meines Kindes geschlossen ist?
Grundsätzlich muss zunächst alles versucht werden, um eine Betreuung zu organisieren – beispielsweise durch Verwandte oder Freunde. Auch kann versucht werden, mit dem Arbeitgeber eine Lösung zu finden wie Überstunden abbauen oder im Home-Office arbeiten. Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht grundsätzlich auch eine Lohnfortzahlung vor, wenn sich keine Betreuung finden lässt. § 616 BGB besagt, dass wer ohne eigenes Verschulden und aus einem persönlichen Grund verhindert ist und nicht zur Arbeit kommen kann, trotzdem weiter Gehalt bekommt. In der Praxis wird dieser aber oft in Tarif- oder Arbeitsverträgen ausgeschlossen. Hier sollten Beschäftigte also genau prüfen, was für sie gilt. Ist § 616 BGB ausgeschlossen, müssen betroffene Beschäftigte Urlaub nehmen – diesen darf der Arbeitgeber dann auch nicht ohne weiteres ablehnen.
Bahn- und Nahverkehr werden wegen Corona-Verdachtsfällen eingestellt
Grundsätzlich ist es Sache des Arbeitnehmers, pünktlich den Arbeitsplatz zu erreichen. Der Arbeitnehmer trägt das sogenannte Wegerisiko. Wenn es allerdings gar keine Möglichkeit gibt, zur Arbeit zu kommen, muss man in diesem Fall nicht mit Sanktionen wie Abmahnung oder Kündigung rechnen. Ein Vergütungsanspruch besteht dann jedoch nicht.
Quelle: dpa