«Problembärin» Gaia: Lange Reise, kein Happy End
20.07.2025
Sie rollt die Augen, schnaubt, springt nach der Ankunft im Schwarzwald immer wieder gegen die Wände der Transportbox, die sie aus Italien in den Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald bringt: Die Wildbärin Gaia, die vor zwei Jahren im italienischen Trentino einen Jogger getötet hat, ist am Morgen zwar wohlbehalten in dem Park in Bad Rippoldsau-Schapbach (Kreis Freudenstadt) angekommen. Bis sie auf das große Hochsicherheitsgelände kommt, in dem sie künftig leben soll, dürfte es aber noch bis mindestens Montag dauern.
Sie sei zunächst extrem aufgeregt und nervös gewesen und habe immer wieder Scheinangriffe gestartet, berichtete eine Sprecherin des Bärenparks. Man habe das Tier daher zunächst nur in ein auch nach oben geschlossenes, mit Stahlstäben umgebenes Vorgehege lassen können.
Gaia, auch unter dem Kürzel JJ4 bekannt, sei aber ansonsten wohlauf und habe die nächtliche Fahrt aus Italien gut überstanden. Während der mehr als neun Stunden langen Reise habe es keine Probleme gegeben.
Zuvor hatte der zuständige Landrat der Provinz Trentino in Oberitalien die Familie des getöteten Joggers persönlich darüber informiert, dass die Bärin nun nach Deutschland überführt sei. Der Bärenpark hatte sich seinerzeit bereit erklärt, die Wildbärin nach der tödlichen Attacke auf 26-Jährigen aufzunehmen.
Zeitpunkt des Transportes war geheim
Für den lange geplanten und aus Angst vor Protesten von Tierschützern bis zuletzt geheim gehaltenen Transport war ein Team des Bärenparks Schwarzwald mit dem Transportfahrzeug am Samstagmorgen aus Deutschland angereist, um Gaia abzuholen. Vor der Abfahrt abends war die Wildbärin zunächst betäubt und dann in die Transportbox des Fahrzeuges gehievt worden.
Erst als Gaia in der Box wieder zu sich kam, konnte die Fahrt tatsächlich auch losgehen, wie eine Sprecherin des Bärenparks erläuterte. «Bewusstlos wäre die Bärin sonst in der Box hin und her geschleudert worden.» Alle zwei Stunden sei ihr Wasser sowie traubenzuckerhaltiges Obst wie Äpfel und Birnen angeboten worden. Permanent seien Vitalwerte wie Puls- und Herzschlag überwacht worden mit Hilfe von Sensoren, die auf das Tier während der Fahrt gerichtet waren.
Abschuss wäre tiergerechter gewesen
Die mittlerweile fast 20 Jahre alte Bärin war schon vor dem tödlichen Zusammentreffen mit dem Jogger auffällig und vom Abschuss bedroht gewesen. Auch nach dem Tod des 26-Jährigen sollte sie eigentlich erschossen werden. Doch Tierschützer klagten sich bis zum obersten Verwaltungsgericht in Trient hoch - Gaia blieb am Leben, sollte aber nicht mehr freikommen.
«Das war die denkbar schlechteste Lösung», sagte die Sprecherin des Bärenparks. Zwar hatte sich der Park bereit erklärt, Gaia aufzunehmen. Für einen Wildbären sei Gefangenschaft aber der Horror. JJ4 habe fast zwei Jahrzehnte in der freien Natur gelebt und dort Jungen großgezogen. «Ein Abschuss wäre tiergerechter gewesen.»
Hochsicherheitsgehege für rund eine Million Euro
Anlässlich der Ankunft Gaias war ein Hochsicherheitsgehege für rund eine Million Euro gebaut worden, finanziert durch Spenden. Das ein Hektar große Gelände ist umgeben von einem hohen Zaun und versehen mit einem sogenannten Untergrabschutz, damit JJ4 sich nicht einen Weg in die Freiheit buddeln kann. Allein die Kamera- und Sicherheitstechnik kosteten den Angaben zufolge rund 30.000 Euro.
Langfristig soll das Gehege auch für die Aufnahme anderer Wildtiere dienen, die verletzt oder verwaist sind. Vorerst aber bleibt Gaia dort allein.
Im Bärenpark soll sie irgendwann einen neuen Namen bekommen. Der Name Gaia ist dort schon vergeben, ein Wolf heißt so. Außerdem sei ihr Name in der Öffentlichkeit vielfach mit dem Tod des Joggers verbunden. «Wir wollen sie aber nicht als "Killerbärin" ausstellen», so die Sprecherin. Im Hochsicherheitsgehege ist sie für Publikum nicht sichtbar. Die Anlage ist weit weg vom Besucherverkehr.
Park will nie wieder wilde Bären aufnehmen
Die Aufnahme von Gaia soll die letzte eines wilden Bären im Bärenpark Schwarzwald sein. Zwar leben zwei weitere Wildbären schon lange in dem Park - Jurka, die Mutter von Gaia, sowie Halbschwester Isa. Gerade aber die Erfahrungen mit diesen beiden hätten gezeigt, wie sehr Wildbären auch nach Jahren immer noch unter der Gefangenschaft litten.
In Gefangenschaft werde der Freiheitsdrang der Bären nun nach und nach gebrochen, so die Parksprecherin. JJ4 werde sich irgendwann in ihr Schicksal ergeben, das aber könne Jahre dauern. «Glücklich wird sie nicht mehr.»
Braunbären sind eigentlich geschützt
Eigentlich sind Braunbären in Europa durch verschiedene Abkommen und auch durch eine EU-Richtlinie geschützt. Nur «Problembären» dürfen gefangen, umgesiedelt und notfalls auch erschossen werden. Dies kommt jedoch nur selten vor: Großes Aufsehen hatte vor vielen Jahren der Abschuss von Wildbär Bruno ausgelöst, der Bruder von Gaia. Der «Problembär» wurde im Juni 2006 im bayerischen Rotwandgebiet abgeschossen.
Zwar gehen Bären in der Regel Menschen eher aus dem Weg. Im Trentino - einer Urlaubsregion auch mit vielen deutschen Touristen - kommt es seit einiger Zeit jedoch immer wieder zu Begegnungen. Die Tiere trauen sich mitunter auf der Suche nach Nahrung immer näher an Bauernhöfe und Ortschaften heran. Zudem reagieren vor allem Muttertiere, die Angst um ihren Nachwuchs haben. Auch Gaia alias JJ4 hatte Junge, als sie auf den Jogger traf.
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