Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
Bei einem ukrainischen Seedrohnenangriff auf den russischen Schwarzmeerhafen von Noworossijsk ist nach Angaben aus Kiew ein Marineschiff schwer beschädigt worden. Ein Video des Einsatzes zeige, wie ein ferngesteuertes Boot des Geheimdienstes SBU, beladen mit 450 Kilogramm Sprengstoff, das Schiff angreife, zitierten mehrere ukrainische Medien am Freitag einen Informanten. Das russische Landungsschiff soll etwa 100 Mann Besatzung gehabt haben. Das Verteidigungsministerium in Moskau bestätigte den Drohnenangriff, behauptete aber, dieser sei abgewehrt worden.
Über mögliche Schritte zur Beendigung seit 17 Monaten dauernden russischen Angriffskrieges auf die Ukraine wollen von Samstag an Vertreter aus 30 Ländern in Dschidda in Saudi-Arabien beraten. Die Bundesregierung erhofft sich dabei Fortschritte bei der Angleichung verschiedener Friedenspläne, wie es am Freitag in Berlin hieß.
Seedrohne trifft russisches Marineschiff
In dem Video zu Noworossijsk ist der Angriff aus Drohnenperspektive bis kurz vor der Schiffswand zu sehen. Es solle sich um eine gemeinsame Operation von SBU und der ukrainischen Marine gehandelt haben, berichteten Medien in Kiew. Spätere Bilder zeigten das 1976 in Dienst gestellte Schiff «Olenegorski gornjak» (Olenegorsker Bergmann) mit Schlagseite in der Bucht von Noworossijsk. Nach offiziellen russischen Angaben gab es keine Schäden. Doch selbst russische Militärblogger veröffentlichten Fotos und Videos des tief im Wasser liegenden Schiffes und schrieben von Beschädigungen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte dem Geheimdienst SBU für seine Arbeit. Der SBU habe den Krieg zurück zum russischen Aggressor gebracht, merkte Selenskyj am Freitagabend in seiner allabendlichen Videoansprache in seinem Telegram-Kanal an. «Was man in die Welt hineinbringt, darauf bleibt man schlussendlich sitzen.»
«Für die Ukraine ist das eine gute und gerechte Nachricht», sagte der Sprecher des Kiewer Militärgeheimdienstes HUR, Andrij Jussow, im Fernsehen. «Das wird weitergehen.» Der Treffer auf das Landungsschiff sei ein großer Verlust für die russische Flotte. Den Angaben nach setzt Russland diesen Typ Schiffe zum Transport von Truppen und Material auf die annektierte Halbinsel Krim ein.
Die Ukraine hat so gut wie keine Marine mehr. Sie versenkte aber vergangenes Jahr das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, den Kreuzer «Moskwa», mit Anti-Schiffs-Raketen vom Typ Neptun. In jüngerer Zeit setzte die Ukraine verstärkt unbemannte Sprengstoffboote gegen russische Ziele ein.
Saudi-Arabien bestätigt Ukraine-Gipfel in Dschidda
Saudi-Arabien bestätigte am Freitagabend nun auch offiziell das Gipfeltreffen ranghoher internationaler Vertreter zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die staatliche Nachrichtenagentur SPA verbreite am Abend eine Mitteilung, wonach das Treffen am Samstag in der Küstenstadt Dschidda stattfinden wird. Ziel sei es, einen «politischen und diplomatischen Weg» zur Beendigung des Krieges gegen die Ukraine zu finden. Nationale Sicherheitsberater und «eine Reihe von Vertretern aus verschiedenen Ländern» werden demnach an dem Treffen teilnehmen.
Erwartet werden unter anderem Vertreter der Ukraine, USA, der EU, Großbritanniens sowie aus Chile, Indonesien, Ägypten und der Türkei, wie es zuvor aus Diplomatenkreisen in Riad hieß. Russland werde nicht teilnehmen. Deutschland sei mit dem außenpolitischen Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz, Jens Plötner, vertreten, sowie mit Tjorven Bellmann, Politische Direktorin im Auswärtigen Amt, hieß es aus Regierungskreisen am Freitag.
Die Präsidialverwaltung der Ukraine hatte das geplante Treffen am Golf zuvor ebenfalls bestätigt. Dabei gehe es um die Umsetzung der «Friedensformel» des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für eine Lösung des Konflikts. Kern der Formel ist die Forderung nach einem Abzug russischer Truppen aus der Ukraine. Zuvor hatte auch das «Wall Street Journal» berichtet.
Kiew: Armee macht südlich von Bachmut Fortschritte
Die ukrainische Armee hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Kiew bei der russisch kontrollierten Stadt Bachmut weitere Geländegewinne erzielt. «An der südlichen Flanke setzen unsere Streitkräfte trotz dichtem Artilleriefeuer und Minen ihre Vorwärtsbewegung Schritt für Schritt fort», schrieb Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar am Freitag bei Telegram über die Situation in der Ostukraine. Konkrete Angaben machte sie nicht.
In den Generalstabsberichten wurde indirekt gesagt, dass der Ort Klischtschijiwka südlich von Bachmut nicht mehr völlig unter russischer Kontrolle stehe. Parallel dazu seien russische Angriffe nördlich von Bachmut und an den Abschnitten Kupjansk, Lyman und Swatowe an den Grenzen zwischen den ostukrainischen Gebieten Luhansk, Charkiw und Donezk abgewehrt worden.
Russischer Minister Schoigu angeblich im Kriegsgebiet
Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu ist offiziellen Angaben zufolge zu einem Truppenbesuch ins Kriegsgebiet in die Ukraine gereist. Das Ministerium in Moskau veröffentlichte am Freitag ein kurzes Video. Darin war zu sehen, wie Schoigu in einem Hubschrauber sitzt und sich mit Offizieren bespricht. Den Angaben zufolge soll er die russische Heeresgruppe «Zentrum» des Kommandeurs Andrej Mordwitschjow besucht haben. Wo und wann genau die Aufnahmen entstanden sind, war nicht bekannt. In der Vergangenheit hatte das Verteidigungsministerium bereits Aufnahmen von Reisen Schoigus veröffentlicht, die Beobachter wenig später als veraltet einstuften.
London: Riskante russische Angriffe dicht an Nato-Grenze
Um Getreideexporte aus der Ukraine zu verhindern, geht Russland nach Einschätzung britischer Geheimdienste ins Risiko bei seinen Angriffen auf ukrainische Donauhäfen. Die Ziele der Drohnen iranischer Bauart lägen teils nur 200 Meter von der rumänischen Grenze und damit dem Nato-Gebiet entfernt, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Ziel der Attacken sei, die internationale Schifffahrt dazu zu bringen, den Handel über ukrainische Donauhäfen einzustellen.
Zuletzt war im ukrainischen Hafen Ismajil an der Donau ein Getreidesilo zerstört worden. Russland hat vor wenigen Wochen ein Abkommen zum Seeexport ukrainischen Getreides aufgekündigt und bombardiert seitdem Hafenanlagen und Speicher für Agrarprodukte.
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