Erste Stickstoff-Hinrichtung in den USA
Erstmals ist in den USA ein zum Tode verurteilter Mensch mit einer neuen Stickstoff-Methode hingerichtet worden. Der 58 Jahre alte Kenneth Eugene Smith wurde am Donnerstagabend (Ortszeit) in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Alabama mittels sogenannter Stickstoffhypoxie exekutiert, wie Alabamas Justizminister Steve Marshall mitteilte. Diese Methode sei nicht nur in den USA, sondern weltweit erstmals zum Einsatz gekommen, erklärte Marshall. Menschenrechtsexperten hatten vorab gravierende Bedenken angemeldet. Alle Versuche der Anwälte des Mannes, die Exekution aufzuhalten, waren jedoch erfolglos.
Die Hinrichtung war in einem Gefängnis in der kleinen Stadt Atmore im Süden des Bundesstaates. Bei der Prozedur bekommt der Betroffene über eine Gesichtsmaske Stickstoff zugeführt - die Folge ist der Tod durch Sauerstoffmangel. Sie dauerte nach Angaben von Marshall weniger als 30 Minuten. Ein Vertreter der zuständigen Strafvollzugsbehörde sagte, Smith habe zum Teil gezuckt und abnormal geatmet. Aber das sei erwartet worden. Smith war wegen Mordes verurteilt worden.
Pfarrer beschreibt minutenlange Tortur
Der bei der Hinrichtung anwesende Pfarrer, Jeff Hood, beschrieb hingegen, dass Strafvollzugsbeamte im Raum sichtlich überrascht darüber gewesen seien, «wie schlecht die Sache läuft». Smith sei nicht innerhalb von Sekunden bewusstlos gewesen. «Was wir sahen, waren Minuten, in denen jemand um sein Leben kämpfte», sagte Hood. Smith habe sich gewunden, gespuckt und seinen Kopf immer wieder nach vorne gerissen - die Maske sei am Exekutionstisch befestigt gewesen.
Dass die Inhalation von reinem Stickstoff keine schwerwiegenden Leiden verursacht, halten Experten der Vereinten Nationen für nicht wissenschaftlich bewiesen. Nach Smiths Hinrichtung warnte das UN-Menschenrechtsbüro vor einer Verbreitung dieser Methode. «Wir läuten die Alarmglocken, weil dies möglicherweise eine Form von menschenrechtswidriger Folter darstellt», sagte UN-Menschenrechtssprecherin Ravina Shamdasani in Genf. Man befürchte, dass dies nun als Hinrichtungsmethode akzeptiert werde.
1000 US-Dollar für einen Auftragsmord
1988 hatte Smith sich als damals 22-Jähriger auf einen Auftragsmord eingelassen. Opfer war die Ehefrau des Auftraggebers, der sich eine Woche nach der Tat selbst das Leben nahm. Smith und zwei Mittäter wurden gefasst - einer bekam eine lebenslange Haftstrafe und starb 2020 im Gefängnis, der andere wurde 2010 mittels Giftspritze hingerichtet.
Smith hatte im Prozess gegen ihn zwar zugegeben, er sei bei der Tat anwesend gewesen, beteuerte aber, sich an der tödlichen Attacke selbst nicht beteiligt zu haben. Nach einem Berufungsverfahren sahen die Geschworenen 1996 eigentlich eine lebenslange Haftstrafe für ihn vor, doch der zuständige Richter setzte sich damals darüber hinweg. Das Gesetz, das dies erlaubte, schaffte Alabama erst 2017 ab - als letzter US-Bundesstaat.
Ein gescheiterter Hinrichtungsversuch
Wie sein Mittäter sollte Smith eigentlich ebenfalls mit der Giftspritze hingerichtet werden. Doch Gefängnispersonal gelang es 2022 nicht, die dafür nötige Kanüle in seinen Arm zu legen. Nach mehreren Stunden, in denen er angeschnallt auf dem Exekutionstisch lag, wurde er wieder in seine Zelle gebracht.
In den USA scheitern Exekutionen mit der Giftspritze immer wieder oder ziehen sich über Stunden hin. Weil die US-Standesvertretung von Ärzten und Pflegepersonal AMA ihren Mitgliedern das Mitwirken an Hinrichtungen untersagt, werden sie mitunter nicht von ausreichend geschultem Fachpersonal durchgeführt. Zudem blockieren viele Pharmaunternehmen den Einsatz ihrer Medikamente oder das für die Injektion benötigten Equipment - darunter der deutsche Konzern Fresenius Kabi. Zur Frage, inwieweit die US-Arzneimittelbehörde involviert sein sollte, tobt seit Jahren ein juristischer Streit.
US-Bundesstaaten, in denen noch Todesurteile vollstreckt werden, können Engpässe und Zulassungsfragen aber umgehen, indem sie die Giftcocktails über sogenannte Compounding Pharmacies (Deutsch: Rezepturapotheken) beziehen. Diese werden nicht auf Bundesebene reguliert - und machten in der Vergangenheit etwa wegen fehlender Hygiene Schlagzeilen.
Angehörige: Schulden wurden beglichen
Angehörige der Frau, die 1988 bei dem Auftragsmord getötet worden war, hatten mit Unverständnis auf die Debatte über Smiths mögliches Leiden reagiert. Nach der Hinrichtung sagte einer ihrer Söhne: «Nichts, was heute hier passiert ist, wird Mama zurückbringen, nichts.» Seine Familie habe allen drei Tätern vergeben. Er betonte aber auch: «In der Bibel steht, dass böse Taten Konsequenzen haben. Kenny Smith hat vor 35 Jahren einige schlechte Entscheidungen getroffen. Seine Schulden wurden heute Abend beglichen.»
Bei der Exekution waren nur wenige Medienvertreter als Beobachter zugelassen, darunter eine Reporterin des regionalen Fernsehsenders WHNT. Ihr zufolge sagte Smith kurz vor seinem Tod: «Heute Abend hat Alabama die Menschheit dazu gebracht, einen Schritt zurück zu machen.» Und weiter: «Ich gehe mit Liebe, Frieden und Licht.»
In Gesellschaft mit China, dem Iran und Saudi-Arabien
Die Todesstrafe gibt es in den USA heute noch beim Militär, auf Bundesebene und in 27 Bundesstaaten, wobei sie in de facto nicht mehr überall vollstreckt wird. Die zugelassenen Methoden variieren von Bundesstaat zu Bundesstaat. Die mit Abstand häufigste Methode ist die Exekution mit der Giftspritze. Stickstoffhypoxie ist außer in Alabama nur in den Bundesstaaten Oklahoma und Mississippi erlaubt. Eingesetzt wurde die Methode dort bislang nie.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verzeichnete im Jahr 2022 mindestens 883 Hinrichtungen in 20 Ländern. Am häufigsten wurde die Todesstrafe demnach in China, im Iran, in Saudi-Arabien, Ägypten und den USA vollstreckt - in dieser Reihenfolge. 2023 wurden in den USA 24 Todesurteile vollstreckt, Smiths Hinrichtung am Donnerstag war dieses Jahr die erste.
Links
© dpa-infocom, dpa:240126-99-756355/10