Endgültig «Legende»: Usyk feiert nächsten K.-o.-Sieg
20.07.2025
Um kurz vor Mitternacht, gut eine Stunde, nachdem er sich endgültig zu einem der besten Boxer der Geschichte gekrönt hatte, wollte Oleksandr Usyk nur noch eines: ins Bett. «Ich möchte mich ausruhen», sagte der Ukrainer, der damit auch die Frage nach dem möglichen nächsten Schwergewichtsspektakel beiseiteschob: «Jetzt will ich nach Hause und dann entscheiden, was als Nächstes kommt.»
Nach seinem K.-o.-Sieg in der fünften Runde gegen den Briten Daniel Dubois verließ der 38-Jährige das Londoner Wembley-Stadion als unangefochtener Weltmeister mit den glitzernden Gürteln der vier wichtigsten Verbände. Die Titel der WBA, WBO und des WBC hielt Usyk ohnehin schon, den der IBF holte er sich von Dubois zurück. Dessen Promoter Frank Warren musste eingestehen: Usyk ist die Legende der heutigen Zeit.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gratulierte seinem Landsmann ebenso überschwänglich. «Danke für die Kraft und Inspiration, die du mit jedem Sieg dem ganzen Land gibst», schrieb Selenskyj auf der Plattform X. «Danke, dass du jeden Kampf mit der Ukraine im Herzen bestreitest.» Auch er nannte Usyk «eine Legende».
Muhammad Ali, Mike Tyson, Lennox Lewis - Oleksandr Usyk
Entsprechend wurde noch am Abend über die auch in anderen Sportarten immer wieder gerne gestellte Gretchenfrage diskutiert - wer ist denn nun der Beste der Geschichte? Vor der Pressekonferenz brachen selbst einige Briten das an ein Fachbuch angelehnte, ungeschriebene Gesetz, als Journalistin und Journalist nicht zu jubeln («No Cheering in the Press Box»), und applaudierten dem Vierfach-Weltmeister.
Mit seinen Titeln und seiner Bilanz der 24 ungeschlagenen Profi-Kämpfe muss sich der Ukrainer vor dem sportlichen Vergleich mit Legenden wie Muhammad Ali oder Mike Tyson sicherlich nicht verstecken. «Er wäre in jeder Generation großartig», sagte Warren. Die, die ihn als nächste Gegner herausfordern könnten, fallen deutlich zurück.
«Ich werde weitermachen mit dem Boxen und dem Training», sagte Usyk. Der Name des Neuseeländers Joseph Parker (33) fiel oft. Noch im Ring erwähnte Usyk die Briten Dereck Chisora (41), Anthony Joshua (35) und Tyson Fury (36). Gegen Fury hatte der Ukrainer im vergangenen Jahr sein erstes Vereinigungsduell nach Punkten gewonnen. Der Deutsche Agit Kabayel (32) ist als aktueller WBC-Interimsweltmeister auch automatisch Anwärter für einen WM-Kampf.
«Ich kann es jetzt noch nicht sagen», äußerte Usyk und lieferte nachvollziehbare Gründe dafür. «Ich habe mich monatelang vorbereitet, meine Familie nicht gesehen», sagte der 38-Jährige. «Ich habe jeden Tag mit meinem Team verbracht, mit 14 Männern, jeden Tag die gleichen Gesichter.» Vor der nächsten konkreten Planung soll erst einmal Ruhe sein. Ein Karriereende war nicht im Ansatz ein Thema.
Mit 38 Jahren bestimmt kein «alter Mann»
Vor dem Kampf in London hatte sich hartnäckig das Gerücht gehalten, Usyk denke auch an einen Super-Kampf gegen Landsmann Wladimir Klitschko (49), der dafür nach acht Jahren als Box-Rentner ein Comeback geben müsste. Dass das Alter nicht unbedingt eine Rolle spielt, bewies Usyk gegen den elf Jahre jüngeren Dubois eindrucksvoll.
«38 ist erst der Anfang», rief Usyk unmittelbar nach seinem K.-o.-Sieg den jubelnden 90.000 Zuschauerinnen und Zuschauern zu. Den Altersunterschied hatte Dubois beim Vorgeplänkel zum Thema gemacht und gesagt, sein Gegner sei «ein alter Mann». Persönlich beleidigt war Usyk nicht, alles, was vor dem eigentlichen Kampf geschehe, sei «nur Show», sagte er.
© dpa-infocom, dpa:250719-930-817189/3