Deutscher auf Maui: «Wir sind gerade noch rausgekommen»
«Lahaina ist nicht mehr da», so beschreibt Anatol Eisele das Katastrophenszenario auf Maui - er selbst ist der Feuerhölle in Hawaii nur knapp entkommen. Der gebürtige Ravensburger kam als Windsurfer vor 30 Jahren in das US-Inselparadies, nun steht er vor den verkohlten Ruinen seines Restaurants Paia Fishmarket in Lahaina. «Alles komplett weg», sagt der 50-Jährige lakonisch. Das Schicksal teilt er mit vielen.
Die Zahl der Toten nach den verheerenden Busch- und Waldbränden auf der Insel im US-Bundesstaat Hawaii stieg derweil auf 55, wie der Bezirk Maui am späten Donnerstagabend (Ortszeit) mitteilte. Die Löscharbeiten auf der Insel dauerten an. Es sei zu befürchten, dass die Zahl der Opfer noch ansteige, berichteten örtliche Medien unter Berufung auf die Behörden. Mindestens 20 Menschen seien durch Verbrennungen schwer verletzt worden, der Zustand von einigen von ihnen sei kritisch.
Der Papst betet für die Opfer
Papst Franziskus drückte den Opfern sein Mitgefühl aus. Der Pontifex habe mit «großer Trauer vom Verlust an Menschenleben und der Zerstörung» durch die Brände erfahren, hieß es am Freitag in einem Telegramm an die diplomatische Vertretung des Heiligen Stuhls in den USA. Er bete für die Toten, Verletzten und Vertriebenen.
Es werden auch noch Menschen vermisst. Wie viele, sei aber schwer zu sagen, hieß es unter Berufung auf Mauis Polizeichef John Pelletier. Dies liege auch daran, dass der Mobilfunk zusammengebrochen sei. Zudem sind laut der Webseite poweroutage.us noch rund 11 000 Haushalte ohne Strom.
Die Innenstadt des einst malerischen Küstenortes Lahaina mit seinen Holzhäusern sei völlig zerstört, sagte Mauis Bürgermeister Richard Bissen: «Nichts davon ist mehr da. Es ist alles niedergebrannt.» Auch Hawaiis Gouverneur Josh Green zeigte sich erschüttert: «Wenn man das ganze Ausmaß der Zerstörung in Lahaina sieht, ist es schockierend. Es sieht aus, als wäre eine Bombe explodiert und dann ein Feuer entbrannt.» Praktisch alle Gebäude müssten wiederaufgebaut werden. Dies werde in die Milliarden Dollar gehen und Jahre dauern.
Augenzeuge: Bäume wie Zahnstocher umgepurzelt
Green sprach nach einem Rundgang durch Lahaina von der «wahrscheinlich größten Naturkatastrophe» in der Geschichte des US-Bundesstaates Hawaii. Er erinnerte an das Jahr 1960, als Hawaii von einem Tsunami getroffen wurde. Die Flutwelle forderte damals 61 Menschenleben.
Der Deutsche Eisele war am Dienstagnachmittag von seinem Wohnort Haiku im Osten der Insel ins westliche Lahaina unterwegs, als er die heftigen Winde erlebte. «Wir haben über 100 Jahre alte Bäume, die sind einfach umgepurzelt wie Zahnstocher», erzählt er. Wegen des Sturms war sein Restaurant schon ohne Strom. Mit ein paar Mitarbeitern harrte er zunächst aus. «Und plötzlich haben wir lautes Knallen von explodierenden Autos gehört und schwarzen Rauch gesehen», erzählt Eisele. Notfalls wollten sie ins Meer springen, so ihr Fluchtplan, denn die Straßen waren schon völlig verstopft.
Dann blies der Wind das Dach des Restaurants weg, die Flammen kamen näher, und sie sprangen doch noch ins Auto. «Wir sind gerade noch so zum Schluss rausgekommen», beschreibt Eisele ihr abenteuerliches Entkommen. Alle Zufahrtsstraßen in das betroffene Gebiet sind seither gesperrt, doch der Deutsche kehrte am Mittwoch mit einem Boot nach Lahaina zurück. Wie von einer «Feuerbombe» getroffen sei dort alles zerstört worden, schildert er. Was einen schnellen Wiederaufbau betrifft, ist Eisele skeptisch. Das könne Jahre dauern, sagt auch er.
Auch Bernard Weber kann das Ausmaß der Zerstörung noch nicht fassen. «Ich bin seit 35 Jahren hier, aber so eine Katastrophe haben wir auf Hawaii noch nie gesehen», sagt der gebürtige Schweizer. Mit seiner deutschen Ex-Ehefrau betreibt er in Kahului, im Osten der Insel, das Restaurant «Brigit & Bernard’s Garden Cafe». Dort brannte es nicht, aber sein Wohnhaus in Wailea war von Flammen bedroht. Mitten in der Nacht hätten sie ihr Auto mit Wertsachen und Fotos vollgepackt und die Flucht ergriffen, erzählt der 62-Jährige.
Rettungsarbeiten dauern an
«Gerade haben wir die Pandemie überlebt, und nun das. Tankstellen, Supermärkte, Hotels und Häuser, alles ist weg», beklagt Weber. Flüge nach Maui seien gestrichen worden, Touristen kämen nicht mehr auf die Insel. «Ich hoffe, dass ich weitermachen kann», seufzt der Restaurantbesitzer. Freunden, die ihr Haus verloren hätten, habe er nun angeboten, bei ihm zu wohnen.
Bis zum Donnerstagabend habe die Feuerwehr den Brand in Lahaina zu rund 80 Prozent unter Kontrolle bringen können, hieß es. Den Bewohnern des beliebten Touristenortes sei der Zugang aber weiter verboten, weil auch die Rettungsarbeiten andauerten. Zusätzliche Rettungsteams aus Kalifornien und dem Bundesstaat Washington seien auf dem Weg nach Maui - auch Leichenspürhunde hätten sie dabei.
Derzeit sind laut Medien sechs Notunterkünfte in Betrieb. Rund 30 000 Besucher seien inzwischen ausgeflogen worden, meldete der Sender CNN unter Berufung auf die Tourismusbehörde. Auf Maui und der Nachbarinsel Hawaii waren am Dienstag mehrere Feuer ausgebrochen, die von starken Winden schnell vergrößert wurden.
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